Am nächsten Tag geht’s hinein in die Stadt. Von Richmond bis ins Zentrum von Vancouver dauert es mit der U-Bahn maximal 30 Minuten. Kein Zigarettenrauch, kein Müll, keine Kaugummiflecken, keine Graffitis. Die Sauberkeit ringsum blendet uns sogleich angenehm in den Augen. Erstes Ziel ist der Canada Place. Unter blauem Himmel flattern die überdimensionalen weißen Segel auf dem architektonisch eindrucksvollen Gebäude, das 1986 zur Weltausstellung errichtet wurde. Kreuzfahrtschiffe warten auf ihre Passagiere gen Alaska und ringsum grenzen weite Wasserflächen und die imposanten Berge der Coast Mountains an glitzernde Hochhausfassaden. Gibt es eine schönere Stadt?
Mit Blicken auf startende und landende Wasserflugzeuge geht’s zum Cool Harbour. Hier mieten wir Fahrräder, um die Stadt zu erkunden. Die Sonne strahlt, frisch weht der Wind vom Pazifik. Ein erster Schnappschuss mit Blick vom Stanley Park auf die Skyline von Vancouver muss sein. Entlang des Seawall Path, die Vancouvers größten Stadtpark entlang der Uferlinie zum Burrard Inlet über neun Kilometer umrundet, geht’s zunächst zum Brockton Point. Neun Totempfähle mit prächtigen, geschnitten Tiermotiven stehen hier. Mehr oder weniger mächtig, eindrucksvoll, farbenfroh. Die Ureinwohner der Squamish-First-Nation sind schon lange durch die Landschaft rund um Vancouver gestreift, als es die Stadt noch gar nicht gab. Dennoch sind diese Pfähle nicht von ihnen, sondern von anderen Orten hierher transportiert worden. So oder so stellen die Totempfähle wichtige Familiensymbole dar und erzählen wahre oder mythische Geschichten aus dem Leben der Indianer.
Weiter geht’s entlang des Seawall Path und unter der Lions Gate Bridge hindurch und bald sind die Strände an der English Bay erreicht. Strandleben vor einer Kulisse aus Wolkenkratzern. Palmenblätter rascheln im Wind. Von rauher Natur des Nordens ist hier nichts zu spüren. Über die Burrard Street Bridge radeln wir über den False Creek und weiter nach Grandville Island. Auf diesem künstlich aufgeschütteten Eiland entstand in den 50er Jahren in Industriegebäuden ein buntes Künstlerviertel. Auf dem „Public Market“ tummeln sich Händler aus aller Welt und verkaufen Köstlichkeiten und Kunstwerke. Das bunte Obst ist kunstvoll zu Türmchen gestapelt. Straßenmusiker sorgen für entspannte Atmosphäre und der Duft von Pasta und Pizza mischt sich mit dem von Kaffee und orientalischen Spezialitäten.
Entlang des False Creek faszinieren die Blicke auf die Skyline, BC Place Stadion und ehemalige Gebäude der Expo 1986, in denen heute die World of Science untergebracht ist - eine beeindruckende naturwissenschaftliche Ausstellung. Unter der glänzenden Kuppel des Geodesic Dome, bis heute Blickfang am False Creek, findet sich ein Omnimax-Kino.
Vom Creek Side Park ist’s nicht weit bis Chinatown. Entlang von Keefer und Pender Street und in all den kleinen Gassen dazwischen wähnt man sich im Nu in einer anderen Welt. Chinesische Lampions und Pagoden schmücken die Straßen, Händler bieten Obst und Gemüse und chinesische Souvenirs feil, in den Supermärkten gibt es unzählige Gewürze und Lebensmittel aus Asien und aus den Restaurant duftet es nach asiatischer Küche. Inmitten von Chinatown wartet der Dr. Sun Yai-Sen Garen, 1986 von Handwerkern aus Suzhou angelegt, auf Besucher. Er gilt als einer der schönsten chinesischen Gärten weltweit.
Mit inzwischen doch schon etwas müden Beinen radeln wir durch Gastown, Vancouvers Altstadt. Gemütliche Bars, hübsche Boutiquen und Souvenirläden, Restaurants und Kunstgalerien präsentieren sich in den liebevoll restaurierten viktorianischen Gebäuden und ehemaligen Lagerhäusern des nahen Hafens und sorgen für heimeliges Ambiente mitten in der Millionenmetropole. Plötzlich pfeift und raucht es. An der Ecke Cambie Street/Water Street hat die Steam Clock einen ihrer viertelstündlich wiederkehrenden Auftritte. Touristen tummeln sich in Scharen um die Dampfuhr aus den 1870er Jahren, mühen sich um das perfekte Foto der Sehenswürdigkeit - und stehen sich letztlich immer wieder gegenseitig im Bild.
Einen letzten Stop machen wir am Harbour Centre Tower. Mit dem „Sky Lift“ geht’s in einem außen an der Fassade hinauf flitzenden Fahrstuhl rund 169 Meter in die Höhe. Im obersten Stockwerk bietet der „Vancouver Lookout“ grandiose Blick auf die wohl schönste Stadt der Welt. Im rötlichen Licht des Sonnenuntergangs erkennen wir die Konturen von Vancouver Island und die leuchtende Schneehaube des rund 140 Kilometer entfernten Mount Baker in den nahen USA. Die Kreuzfahrtschiffe am Canada Place haben längst gen Alaska abgelegt. Die Glasfassaden der Wolkenkratzer spiegeln sich im Licht, während die geradlinigen Straßen dazwischen schon fast in Dunkelheit versinken. Mit diesen grandiosen Eindrücken neigt sich unser erster Tag in Kanada seinem Ende entgegen und macht noch mehr Lust darauf, dieses wunderbare Land in den nächsten vier Wochen kennenzulernen.
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